In der modernen Werbepsychologie rückt ein Konzept zunehmend in den Fokus: das Embodiment-Prinzip. Es besagt, dass unser Denken, Fühlen und Entscheiden nicht rein kognitiv, sondern immer auch körperlich mitverankert ist. Emotionen, Einstellungen und Bewertungen werden demnach nicht nur «im Kopf» erlebt, sondern auch durch körperliche Zustände und Bewegungen mitgeprägt. Was bedeutet das für Werbung und Markenkommunikation? In diesem Beitrag zeige ich, wie sich Embodiment gezielt nutzen lässt – subtil, effektiv und wissenschaftlich fundiert.
Was ist Embodiment?
Der Begriff «Embodiment» (deutsch: «Verkörperung») beschreibt die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche. Demnach beeinflussen unsere Haltung, Gestik, Mimik und Bewegung nicht nur unsere Außenwirkung, sondern auch unsere inneren Zustände wie Emotionen, Einstellungen oder Entscheidungsprozesse.
Beispiele aus der Forschung:
- Wer aufrecht sitzt, fühlt sich selbstbewusster.
- Ein Lächeln – selbst, wenn es erzwungen ist – kann die Stimmung verbessern.
- Wärme in den Händen kann zu einer «wärmeren» Bewertung von Personen führen.
Diese Effekte sind kein Placebo-Effekt, sondern lassen sich neuropsychologisch und verhaltenswissenschaftlich belegen.
Embodiment in der Werbepsychologie
Das Embodiment-Prinzip bietet Werbetreibenden eine neue Ebene der Gestaltung: Neben Inhalten können auch körperlich erfahrbare Reize – visuell, haptisch oder motorisch – genutzt werden, um die Wirkung von Werbebotschaften zu verstärken.
Hier einige zentrale Anwendungsbereiche:
1. Körpersprache in der Werbung: Haltung erzeugt Haltung
Die Körpersprache von Models, Testimonials oder Avataren wirkt nicht nur visuell, sondern überträgt sich auch auf das Publikum. Eine dynamische, offene oder kraftvolle Körperhaltung kann auf die Zuschauer «abfärben» und emotionale Resonanz erzeugen.
👉 Werbepsychologischer Vorteil: Selbstbewusst wirkende Personen stärken die Markenautorität. Entspannte oder genussvolle Haltungen erzeugen Wohlbefinden beim Publikum und erhöhen die Markenaffinität.
2. Produktinteraktion: Der Körper denkt mit
Wenn Menschen in Werbespots mit Produkten interagieren (etwa trinken, berühren, riechen oder ausprobieren), entstehen beim Betrachter simulative Prozesse. Der Körper «stellt sich vor», selbst zu handeln, und verkörpert damit bereits das Nutzungserlebnis.
👉 Werbepsychologischer Vorteil: Die Schwelle zur echten Handlung – zum Kauf, zum Test oder zur Empfehlung – wird durch körperliche Vorstellungskraft gesenkt.
3. Haptik und multisensorische Werbung
Physische Werbemittel, Verpackungen oder POS-Erlebnisse mit haptischer Qualität sprechen das System der «embodied cognition» direkt an. Weiche, glatte oder strukturierte Materialien vermitteln unbewusst Bedeutungen (z. B. Qualität, Natürlichkeit, Sicherheit).
👉 Werbepsychologischer Vorteil: Die Bewertung eines Produkts beginnt bereits beim Anfassen. Hier wird Embodiment wortwörtlich zur Kaufmotivation.
4. Embodied Metaphern: Denken in Bewegung
Viele Begriffe sind körperlich-metaphorisch geprägt: «jemandem den Rücken stärken», «aufsteigen» oder «sich leicht fühlen». Werbesprache kann durch solche körpernahen Metaphern gedankliche Assoziationen aktivieren.
👉 Werbepsychologischer Vorteil: Metaphorische Sprache, die körperlich spürbar ist, erzeugt eine tiefere Verarbeitung und eine höhere Erinnerungsleistung.
5. Embodiment in digitalen Medien
Interaktive Werbung, die beispielsweise Gestensteuerung, Augmented Reality (AR) oder Virtual Reality (VR) nutzt, bezieht das körperliche Engagement der Nutzer:innen mit ein, um die Werbewirkung zu verstärken. Auch hier gilt: Wer sich «körperlich einbringt», speichert Informationen tiefer und emotionaler.
👉 Werbepsychologischer Vorteil: Digitale Interaktionen, die den Körper einbeziehen, schaffen eine bessere Markenbindung als rein kognitive Werbeformen.
Fazit: Denken geht durch den Körper.
Das Embodiment-Prinzip ist mehr als ein Trend – es ist eine grundlegende Erkenntnis über menschliches Erleben und Verhalten. Für die Werbepsychologie bedeutet das: Effektive Kommunikation berührt nicht nur den Verstand, sondern auch den Körper. Wer Werbung gestaltet, die körperlich «nachvollziehbar» ist – durch Haltung, Bewegung, Berührung oder metaphorische Sprache –, kann emotionaler, überzeugender und nachhaltiger wirken.
Praxistipp für Werber:innen:
Überlegen Sie beim nächsten Spot, Mailing oder Plakat:
- Welche körperlichen Assoziationen weckt mein Motiv?
- Welche Bewegung oder Haltung liegt der Botschaft zugrunde?
- Wie kann ich das Erleben eines Produkts körperlich spürbar machen?
Denn: Markenerleben beginnt nicht im Kopf, sondern im Körper.