Stell dir vor, du stehst vor der Entscheidung zwischen zwei Kinotickets:
- Ticket A: CHF 8 – normale Sitzplätze
- Ticket B: CHF 15 – Premium-Sitze mit extra Beinfreiheit
Du zögerst: Ist dir der Komfort den Aufpreis von CHF 7 wert?
Jetzt kommt Ticket C ins Spiel:
- Ticket C: CHF 14 – Premium-Sitze, aber ohne Beinfreiheit
Plötzlich wirkt Ticket B wie ein gutes Geschäft. Und genau das ist kein Zufall.
Willkommen beim Decoy-Effekt, auch bekannt als asymmetrische Dominanz – ein psychologisches Phänomen, das unser Entscheidungsverhalten beeinflusst, ohne dass wir es bewusst merken.
Was ist der Decoy-Effekt?
Der Decoy-Effekt tritt auf, wenn die Einführung einer gezielt unattraktiven dritten Option dazu führt, dass sich Konsument:innen verstärkt für eine bestimmte Alternative entscheiden. Diese dritte Option ist asymmetrisch dominiert – das bedeutet: Sie ist in allen Aspekten schlechter als eine Option (hier: Ticket B), aber in einem Punkt vergleichbar mit einer anderen (z. B. Preisniveau).
Im Beispiel oben ist Ticket C eine sogenannte «Täuschungsoption» (decoy), die keine echte Wahl darstellen soll – sondern nur dazu dient, Ticket B attraktiver wirken zu lassen.
Wie funktioniert der Effekt?
Der Decoy-Effekt nutzt eine grundlegende menschliche Denkweise: Wir beurteilen Optionen relativ zueinander, nicht absolut.
Anstatt zu fragen: «Ist Ticket B CHF 15 wert?», fragt unser Gehirn unbewusst: «Ist Ticket B besser als Ticket C – und wie viel besser als Ticket A?»
Diese Vergleichslogik verschiebt unsere Wahrnehmung: Eine Option, die vorher teuer oder übertrieben schien, wird plötzlich zum «vernünftigen Mittelweg».
Anwendungsbeispiele in der Praxis
📱 Technikprodukte
Hersteller wie Apple oder Samsung bieten häufig drei Produktvarianten an:
- Ein günstiges Basismodell
- Ein teures Premiumgerät
- Ein Mittelklassemodell
Oft dient das teuerste Gerät nur als Decoy, um das mittlere Modell attraktiver erscheinen zu lassen.
🍿 Kino & Gastronomie
Die klassische Popcorn-Falle:
- Klein: CHF 3
- Mittel: CHF 6.50
- Gross: CHF 7
Viele greifen zur grossen Portion, weil sie im Vergleich zur mittleren mehr fürs Geld zu bieten scheint – ein typisches Beispiel für den Decoy-Effekt.
💻 Software-Abos
Ein Anbieter stellt drei Preisstufen zur Auswahl:
- Basis
- Premium
- Business+
Das teuerste Paket wirkt überzogen – aber es macht das mittlere Angebot plötzlich zur besten Wahl.
Warum wirkt der Decoy-Effekt so stark?
- Kognitive Vereinfachung: Drei Optionen lassen sich schneller vergleichen als viele. Der Decoy hilft, Entscheidungen zu beschleunigen.
- Verlustaversion: Wenn eine Option fast gleich viel kostet, aber deutlich weniger bietet, meiden wir sie aus Angst, etwas zu verlieren.
- Soziale Normen: Viele Menschen wählen instinktiv die mittlere Option – sie wirkt wie der «goldene Mittelweg».
Was bedeutet das für Konsument:innen?
Der Decoy-Effekt zeigt, wie leicht unsere Entscheidungen durch gezielte Optionen beeinflusst werden können. Wer bewusster konsumieren möchte, sollte sich bei der Auswahl fragen:
- Würde ich mich auch ohne die dritte Option so entscheiden?
- Ist das mittlere Angebot wirklich besser – oder nur besser platziert?
Und für Unternehmen?
Der Decoy-Effekt ist ein wirkungsvolles Werkzeug in Marketing, Preisgestaltung und Produktstrategie. Richtig eingesetzt, kann er:
- den Durchschnittsverkaufswert steigern,
- den Warenkorbwert erhöhen,
- oder helfen, weniger nachgefragte Produkte gezielt zu unterstützen.
Aber Vorsicht: Wer zu offensichtlich manipuliert, riskiert das Vertrauen seiner Kundschaft. Ethik schlägt kurzfristige Taktik.
Fazit
Der Decoy-Effekt ist wie ein unsichtbarer Dirigent unserer Konsumentscheidungen. Wer ihn erkennt, trifft bessere Entscheidungen – sei es als Konsument:in oder als Marketer:in.
Denn: Nicht jede Wahl, die sich logisch anfühlt, ist auch frei getroffen.